Montag, 21. Februar 2011

Die Hoffnung meiner Welt III

Da geschah ein Wunder. Inmitten des dunklen Waldes fand ich in einer Lichtung eine grüne Wiese. Dort stand ein wunderbarer Baum. Er trug Blumen, weiß und rosa gefärbt, die schön dufteten. Seine Wurzeln badeten in einer frischen, kalten Quelle. Ganz erschöpft schleppte ich mich zu diesen Baum. Ich hatte nur einen einzigen Gedanken; ich musste diese wunderbaren Blumen der Quelle übergeben. Dessen harten Stamm umklammernd, tat ich das mit meinen letzten Kräften. Ich war dem Sterben nahe.
Und plötzlich...

Da, unerwartet, hielt das Ungeheuer an. Die Luft fühlte sich an wie von merkwürdiger Stille umgeben. Und dann... dann verbreiteten sich die schön dufteten Blumen so schnell über die Reste des Waldes; so schnell wie auch vorher das Ungeheuer daran gewachsen war. Die Blumen breiteten sich weiter aus, über den Hügel und das Dorf und noch weiter, über die Berge. Die Bäumen grünten. Unten im Dorf, neben jedem Gebäude und auf den schwarz bedeckten Straßen erschienen Blumen. Schön duftende, farbige Blumen. Das Gras des Herbstes wurde grün. Die ganze Landschaft färbte sich. 

Und da geschah es. Die Wagen überfuhren die Blumen und die Gräser nicht, die Gebäude stiegen nicht mehr über diesen in die Höhe, die Bäume fielen nicht mehr zu Boden. Und da sah ich zum ersten Mal die Menschen.

Der schreckliche Tag war zu Ende. Die Sonne ließ sich Zeit, um unterzugehen, dabei lächelte der Abend unter ihren orange-violetten Strahlen. Die Stille war voll Vögelzwitschern. Und wenn man gut aufpasste, konnte man die Geschichte jedes Vogels verstehen. Der eine baute sich ein Nest auf einer Eiche, der andere auf einer Buche. Die Nacht ließ sich langsam über der Erde nieder.

Dunkel und Stille.

An diesem Morgen wurde die Welt wieder gut, denn am Himmel stand die Frühlingssonne. Am selben Morgen fanden sie in einem Graben neben der Straße eine Leiche. Die Leiche war in den ausgedörrten Blättern des vorigen Herbstes. Nur in den großen, blauen Augen spiegelte sich der blaue Frühlingshimmel. Sie überließen die Leiche dem Herbst.

Ich gehörte nun einer anderen Jahreszeit.

Sonntag, 13. Februar 2011

Die Hoffnung meiner Welt II

MOTTO: "UNSER GLAUBE IST DER SIEG, DER DIE WELT ÜBERWUNDEN HAT." 1. JOH.5,4

Ganz langsam zerstreuete sich der Nebel und ganz langsam wurde meinen Augen eine schreckliche Ansicht der Landschaft zum Vorschein gebracht. Ich schaute die Landschaft an und konnte mein Dorf nicht mehr finden.
Die vorigen kleinen, gastfreundlichen Häuser waren jetzt hässlichen hohen Gebäuden geworden, die früher mit Erde bedeckten Dorfstraßen waren jetzt von etwas Schwarzem verumstaltet. Mein Hügel war bis zur Hälfte von diesen schwarzen Straßen bedeckt und die Gebäude wuchsen sehr nahe heran. Anstatt Pferdewagen fuhren durch die Straßen eigenartige Wagen, von verschiedenen Größen, die einen fürchterlichen Lärm machten. Der seltsame Gestank schien von diesen zu stammen. Die Wagen führten über die ausgedörrten Blätter; diese leideten unter riesigen Schmerzen und zerfielen zu Staub. Der Staub mischte sich mit dem furchtbaren Gestank, die Luft wurde erstickend. Ich konnte nicht mehr atmen und hatte schrecklichen Durst. Ich wollte meinen Durst stillen und trank Wasser von dem kleinen Bach am Fuße meines Hügels. Das Wasser verbrannte aber meinen Hals und der Durst wurde heftiger. Ich versuchte einen Dorfbrunnen zu finden; aber zwischen so vielen Wagen und Gebäuden hatte ich keinen Ausweg mehr. 
Voll Schreck lief ich den Hügel hinauf. Doch die Wagen kamen näher, die Gebäude bauten sich höher an meinen Hügel heran. Ich lief weiter, aber das Ungeheuer folgte mir. Mich umhüllte der schreckliche Staub. Ich musste diesem entweichen. Die einzige Lösung schien der dunkle Wald zu sein. Dieser dunkle Wald, das Ende meines Lichtes, sollte dieser mir jetzt helfen? 

Das Ungeheuer kam immer näher. Und dann drang ich in den Wald. Zuerst langsam; ich fühlte mich in Sicherheit. Doch plötzlich war das Ungeheuer neben mir. Ich lief weiter in das Dickicht, schneller, schneller, stundenlang. Dieses folgte mir jedoch. Ich hörte, wie die Bäume und die Erde niederfielen und wie die schwarzen Straßen sie bedeckten. Ich hörte, wie sich die Gebäude Ziegelstein mit Ziegelstein daran bauten und wie die Wagen immer schneller fuhren. Meine Ohren wollten fast platzen in dem schmerzlichen Lärm. Und der Staub war unerträglich.

Montag, 7. Februar 2011

Die Hoffnung meiner Welt I

MOTTO: "UNSER GLAUBE IST DER SIEG, DER DIE WELT ÜBERWUNDEN HAT." 1. JOH.5,4

Herbst ohne Ende, kahle Alleen, verwehtes Sommerglück. Die Bäume zu beiden Seiten der schnurgeraden Strassen wurden grün und dürr, grün und dürr. Man sagte, das geschah nach einem Rythmus. Mir aber schien, als wären die Äste allzulang dürr gewesen.

Mein Herbst. Merkwürdig! Ich hatte immer geglaubt, der Herbst gehöre mir. Er war das Einzige, was ich besaß; mein persönliches Eigentum. Ich wurde an einem Herbsttag geboren. Man kann glauben, die milde Herbstsonne hätte mir an dem Tag gelächelt.

Mein Herbst regierte überall. Neben meinem Dorf stand ein sehr großer Hügel. Von hier aus konnte man die ganze Landschaft sehen: die Nachbardörfer, die Felder und die hohen Bergen. Hinter diesem Hügel war ein alter Wald. Dieser Wald schien mir unendlich und außerdem auch sehr dunkel. Der Bach, der brausend dahinschoß, brachte Frische und Unruhe mit. Nur der Herbst zündete seine bunte Kerzen und lichtete diesen Wald. Sonst war er immer das Ende meines Lichtes gewesen.

Ich fühlte mich in diesem Herbst sehr wohl. Die Herbstsonne wies mir jeden Tag den Weg auf und ich hatte auch Gefährten: die bunten, ausgedörrten Blätter. Diese folgten mir überall. Sie raschelten auf dem Weg hinauf und hinab und wenn ich gut aufpasste, konnte ich ihre Geschichten verstehen. Die eine gehörte einer Eiche, die andere einer Buche. Aber alle hatten sich dem Herbstwind geschenkt.
Ich liebte diesen Wind sehr. Bei dessem kleinsten Geräusch, das ich um mich vernahm, horchte ich auf. Er erzählte mir über die herbstbedeckte Erde, die mir Reichtum und seelige Ruhe schenkte, und über ihren milden, sonnigen Tagen und die klaren, kühlen Nächte.

In jener Nacht aber war es anders. Etwas Fremdes stand zwischen mir und meiner Landschaft. Die Verbundenheit war aufgelöst. Ich fühlte mich wie von einem Ungeheuer gefolgt. Dieses wuchs an meinen Hügel heran und nicht einmal der Bach konnte es aufhalten. Der Herbstwind verbarg sich wie ein Feigling. Dieses Ungeheuer konnte ich überall fühlen, aber ich wagte es nicht, mich von meinem Platz auf dem Hügel zu bewegen. Der Morgen graute und ein dichter Nebel setzte sich auf die Erde.

Plötzlich ging die Sonne auf. Sehr, sehr schnell wurde Tag. Die Sonne ließ sich keine Zeit, um aufzugehen. Nun konnte ich nur ihre Strahlen und den Nebel sehen. Durch diesen drang ein seltsamer Lärm. Dieser hatte aber nichts Ähnliches mit dem Geräusch meines Herbstwindes, der durch die ausgedörrten Blätter blies, auch nichts Vergleichbares mit dem des fließenden Baches. Ich konnte dieses eigenartige Geräusch nicht unterscheiden. Da wurden meine Nasenlöcher von einem seltsamen Gestank gefühlt. Ich erstickte fast daran. Ein großer Schreck erfasste mich. Ich war nicht mehr fähig meinen Herbst zu sehen, zu hören oder zu riechen. Ich konnte ihn nicht fühlen. Wo war mein Herbst? Wo?

(Teil I - Text in 2002 geschrieben)